Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gesellten sich neuartige Formen der Kommunikation und Vernetzung zu den bereits bestehenden hinzu. Auf digitalen Plattformen kann direkt oder indirekt mit anderen Personen kommuniziert werden, ohne dabei Rücksicht auf Ort und Zeit der Interagierenden nehmen zu müssen. Diese digitalen Formen der Kommunikation besitzen spezifische Kriterien, die unter dem Begriff einer “platformed sociality” (Gerling et al. 2018, S.45) zusammengefasst werden können. Als neuartige Erscheinung zeichnen sich diese Kommunikationsprozesse durch eine untrennbare Vermischung sozialer Interaktion, technischer Möglichkeiten und Vernetzung aus (ebd.). Hierbei gibt es viele Anknüpfungspunkte für wissenschaftliche Untersuchungen und bereits ein ganzes Kompendium an wissenschaftlichen Beiträgen (z.B. Seyfert, Roberge 2017; Stiegler, Breitenbach, Zorbach 2015; Miller 2011; Reckwitz 2017). In diesen Beiträgen wird das gesellschaftliche Phänomen einer neuen digitalen Kultur erkannt und in wissenschaftliche Kontexte eingebettet. Da sich diese Thematik als vielschichtig, komplex und umfangreich herausstellt, wird sich hier auf ein Teilphänomen dieser neuen Kultur konzentriert. In den Blick genommen wird politischer Aktivismus innerhalb und durch Soziale Netzwerke, insbesondere liegt der Fokus auf Bildprotesten.
Das inzwischen selbstverständlich gewordene Betrachten von Fotos auf einem Display unterscheidet sich stark von der Praxis von vor 20 Jahren. Die Art, wie uns Fotos erreichen, hat sich erheblich gewandelt. Aber auch die Art, wie wir Fotos verteilen, hat sich gewandelt. In Sozialen Netzwerken werden Bilder hochgeladen, “geliked”, kommentiert und geteilt. Soziale Netzwerke ermöglichen ihren Nutzern ein sofortiges Zur-Verfügung-Stellen digitaler Inhalte für eine breite Masse unabhängig von Raum und Zeit. Bilder bleiben digital erhalten, sogar Suchmaschinen entwickeln mithilfe maschinellen Lernens “Keywords”, um Bilder zu kategorisieren und schneller auffindbar zu machen. Dieser Wandel ist ein Wandel von kulturellen Praktiken. Wandeln sich diese, so verändert sich auch die Kultur, in der sie stattfinden. Legt man den Fokus auf politischen Aktivismus, stellt sich die Frage, welche neuartigen Formen des Protestes durch diese digital-vernetzte Kommunikationskultur genutzt werden, wie sie sich zu kulturellen Praktiken institutionalisieren, welche Bedeutung sie für die politische Öffentlichkeit haben und ob sie auf andere kulturelle Ebenen übergreifen können. Gibt es eine neuartige, digitale Form von Protestkultur?